Pascal Brateau

way through

2018

In seinem bildhauerischen Oeuvre spielt das Haus als ein dreidimensionaler Körper eine wichtige Rolle und erweitert somit seine architektonische Praxis in einer skulpturalen Dimension. Das Haus denkt der Künstler in einer archetypischen Form aus kubischem oder rechteckigem Körper, dem ein spitzwinkliges Dach aufgesetzt ist. (...) Pascal Brateau installiert seine Häuser an besonderen Orten und reagiert in der besonderen Ausformung auf die jeweilige räumliche Situation.

Der von Pascal Brateau verfolgte Ortsbezug stellt sich auch hier am Rosengarten unter Beweis. Seine Installation „Way Through“, die wir heute hier einweihen, greift die Gegebenheit des offenen Weges und dessen Materialität ganz konkret auf. Dieser Weg ist mit quadratischen Waschbetonplatten ausgelegt. Daran schließt Brateau in Material und Maßen an. Er stapelt sie zu einer in der Höhe differenzierten Wand auf. Der Weg richtet sich förmlich auf, seine zweidimensionale Fläche entwickelt sich zu einer skulpturalen Form. Brateau denkt den Weg dreidimensional weiter fort.

Das Profil der Höhenentwicklung steigt zunächst erst flach mit nur einer Auflage an, setzt sich mit der Schichtung von 3 Platten weiter fort, steigt auf 6 Platten an und gewinnt über die Stärke von erst 10, dann 15 und schließlich 21 über einander gestapelten Beton-Gehweg-Platten seine endliche Höhe. Die Höhenentwicklung erinnert an eine mathematische Reihe, der Höhensprung potenziert sich jeweils um eine Platte.
Die Auslegung der allmählich ansteigenden Platten fasst einen Innenraum ein, und der Einsatz von diagonal durchschnittenen Platten gibt der Installation eine Richtung. Die Massivität der mit den Platten aufgemauerten Wand wird genau in der Mitte der Installation beinahe durchbrochen. Hier berühren sich die spitzen Winkel der halbierten Betonplatten fast nur, und der Hintergrund scheint vorsichtig hindurch.
Während Brateau in seinen bisherigen Installationen das Haus als einen plastischen Archetypus verwendet, definiert seine hier am Rosengarten ausgelegte Installation das Haus als eine Negativform. Die Höhenentwicklung des Weges formt einen Rahmen, und das darin eingeschriebene Giebelbild eines Hauses tritt nun als eine zweidimensionale Aussparung in Erscheinung. Das hier angesprochene Haus steht nicht mehr, sondern es liegt als ein Bild von einem Hausgiebel am Boden, – vielleicht ein Bild der Vergangenheit?

Die von dem Künstler Pascal Brateau ausgelegten Betonplatten wirken somit wie eine Freilegung. Sie rufen das Bild einer archäologischen Stätte auf, als ob hier eine vergangene Schicht ausgegraben und damit freigelegt worden wäre. Im Ergebnis der „Grabung“ scheint das zweidimensionale Giebelbild eines Hauses auf. Und damit sind wir bei der Geschichte von 450 Jahren Treptow angelangt. Pascal Brateau verweist darauf, dass die Geschichte sich in der Behausung der Menschen manifestiert. Erst mit der Behausung dokumentiert sich das menschliche Sein und die Zivilisationsgeschichte eines Ortes oder einer Region. Das Bild der Vergangenheit sieht er als ein zweidimensionales an, das einer plastisch gewordenen Gegenwart eingeschrieben ist, aber keinen dreidimensionalen Körper mehr bildet. Der Weg, unserer – „Way Through“ –, führt durch die Vergangenheit in die Gegenwart. Das Haus der Vergangenheit repräsentiert sich als eine archäologische Leerstelle.

Dieser historischen Dimension des von Pacal Brateau aufgeworfenen Bildes entspricht das künstlerische Arbeitsverfahren der Legung und Schichtung der Betonplatten. Sie entsprechen dem geologischen Zeitbild von Erdschichten und steigen vielleicht auch deshalb bis auf 21 Steinlagen an – gewissermaßen dem 21. Jahrhundert entsprechend. Was so symbolisch klingt, offenbart sich als eine außerordentlich direkte und einfache Herangehensweise. Das Kunstwerk integriert sich in die gegebenen Strukturen des Ortes. Es arbeitet mit einem gewöhnlichen zurückhaltenden Material, ein fast unscheinbares und unauffälliges Material. Dieses wird fast keiner individuellen künstlerischen Bearbeitung unterzogen. Die Arbeit beruht in der Legung des künstlerischen Arbeitsmaterials, so dass sie fast fragil und zerbrechlich erscheint. Wenn man nicht wüsste, dass die einzelnen Platten mit einander verklebt sind, könnte man um den möglichen Einsturz der Platten-Stapel besorgt sein. Im Ergebnis entsteht ein zurückhaltendes künstlerisches Erscheinungsbild, das beinahe mit einer Baustelle verwechselt werden könnte. Diese Schlichtheit und Zurückgenommenheit macht den Reiz des Werkes aus, der das Preisgericht gegenüber den ebenfalls sehr ansprechenden Vorschlägen von Bettina Khano und Susanne Kessler im Wettbewerbsverfahren überzeugte.

Pascal Brateaus Arbeitsprinzip könnte mit den drei Verben setzen, stellen, legen umschrieben werden. Der Künstler formt mit seiner Handlung, nicht aber mit einer individuellen Formung von Materialien und Details. Dieses Prinzip hat Brateau auch seinen bisherigen Installationen und Skulpturen zugrunde gelegt, die bloß geschichtet zu sein scheinen, auch wenn sie haushoch aufgetürmt sind. Brateau bewegt sich damit in der Nachfolge des Minimalismus, einer künstlerischen Richtung vom Ende der 1960er Jahre, die vorrangig in den USA verankert war und eine Reduktion auf einfache geometrische Strukturen anstrebte und die Serialität zum Gestaltungsprinzip erhob. Bekannte Künstler des Minimalismus in der Bildenden Kunst waren bspw. Donald Judd, Carl Andre, Dan Flavin, Sol Le Witt und einige andere.

Dazu analog fasst Brateau die gegebene Ortssituation als eine grafische Struktur auf, aus der er sein Konzept herleitet und seine Gedanken in diese Struktur einfügt. Darin förmlich eingegraben findet er das Bild der Vergangenheit, eines Hauses der Vergangenheit. Das Setzen, das Stellen, das Legen der einfachen Betonplatten legt das Schattenbild eines verlorenen, eines vergangenen Hauses frei. Durch dieses geht der Weg hindurch – way through.
Mit seiner plastischen Auslegung des Standortes gelingt dem Künstler eine überzeugende Freilegung des Ortes und von dessen Geschichte.

Martin Schönfeld