Thomas Eller

Portal der Entropieproduktion

2013

Zentrale Forschungsschwerpunkte im CEBra sind Energie-Ressourcen, -Wandlung und –Versorgung. Das heißt, dass es im Kern (und grob vereinfacht) an diesem Forschungsinstitut um einen permanenten Kampf mit den Thermodynamischen Gesetzen um möglichst günstige Wirkungsgrade in geschlossenen und offenen Systemen geht. Denn Nachhaltigkeit im Umgang mit Energieproduktion, -distribution, -speicherung und -nutzung ist nur zu erreichen, wenn die produzierte Entropie so gering wie möglich gehalten wird. Jedoch ist Entropiezunahme nicht zu vermeiden. Wir werden immer Energie verlieren, wenn wir thermische Energie in Arbeit umwandeln wollen, oder umgekehrt. Der Saldo ist also immer negativ.

Physischer Ausweis für diesen Kampf, der an der BTU Cottbus stattfindet ist der Speicherpuffer in der Lobby des Neubaus de Zentrums für Energietechnologie. Er verkörpert sozusagen die Anstrengungen zur bestmöglichen Entropievermeidung und stellt am Ende doch nur einen, wenn auch cleveren Trick dar. Anstatt nämlich die Energie zur Beheizung/Kühlung des Gebäudes komplett aus fossilen Brennstoffen oder Elektrizität anderer Herkunft zu holen, wird ein Teil der Energie aus der Umgebungstemperatur geholt – Entropie also in ein anderes System exportiert. Man spart also Energie in einem System, indem man die Anergie in ein anderes exportiert.

Kunst – könnte man sagen – erscheint in diesem Kontext als die ultimative Entropieproduktion. Ihre Produktion ist irreversibel, das Kunstwerk selber verrichtet keine „Arbeit“ und alle, in sie hineingesteckte Energie dient in den meisten Fällen höchstens auf übergeordneter, symbolischer Ebene der Diskussion über nachhaltige Entwicklung. Eine Brücke allerdings wird der Kunst vom Nobelpreisträger 1977, Ilya Prigogine, gebaut.

Heute wissen wir, so Prigogine, dass fern vom thermodynamischen Gleichgewicht neue Strukturtypen spontan entstehen können – Unordnung und Chaos können sich unter diesen Bedingungen in Ordnung verwandeln und bringen dissipative Strukturen hervor. Diese beschreiben das Spezifische und Einmalige, das in Gleichgewichtsnähe nicht auftreten könnte, hier ist Selbstorganisation verortet, die zu inhomogenen Strukturen führt. Anthropomorph gesprochen: „Im Gleichgewicht ist die Materie blind, in gleichgewichtsfernen Zuständen beginnt sie wahrzunehmen.“ (Ilya Prigogine) Dissipative Strukturen ziehen also eine Entwicklung zu höherer Ordnung nach sich, womit die Evolutionstheorie eine thermodynamische Grundlage erhält und es fast schon so klingt, wie eine Definition des Begriffs von Kunst.

Die Frage nach der Entstehung des Lebens ist auf Basis dieser Perspektive nicht mehr so fern von den Grundgesetzen der Physik zu sehen. Prigogine meint weiter, dass gemeinsam mit dieser Frage auch mittlerweile traditionell geisteswissenschaftliche Fragestellungen von einem in Zukunft übergeordneten Wissenschaftssystem aus beantwortet werden können, das er ganz allgemein „Dialog mit der Natur“ nennt. Dieser Dialog steht nach Prigogine erst am Anfang und beendet den Dualismus zwischen Physik und Kultur.
Prigogines hauptsächliches Interesse galt dem Zeitbegriff. Im gemeinsam mit Isabelle Stengers verfassten Buch „Das Paradox der Zeit“ führt er den Zeitpfeil ein, also den Begriff der Irreversibilität. Diese spielt eine konstruktive Rolle: Die Entstehung des Lebens wäre ohne sie undenkbar. Gegen Kritiker, die Geschichtlichkeit als bloße Erscheinung bezeichnen, erwidert Prigogine: „wir sind die Kinder des Zeitpfeils, der Evolution, und nicht seine Urheber“.

Diese strukturellen Betrachtungen führen direkt zur künstlerischen Intervention im Neubau des Zentrums für Energietechnologie:

Motiv des großformatigen Mosaiks (das die Tradition der Wandgemälde und Reliefs des 19. und 20. Jhdts, wie sie auch auf dem Campus der BTU zu finden sind (Gerhard Bondzin), modernisiert) ist der zentrale Speicherpuffer in der Lobby. Wie in einem Kaleidoskop spiegelt sich die Situation, der Ort der Lobby mehrfach im „Spiegel“ der Mosaiksteine. Die Refraktionen werden erzeugt durch eine polyperspektivische und multitemporale fotografische Umsetzung der Situation im Lobbybereich. Dabei bildet das Mosaik der Zeitquanten einen Torbogen, oder ein Portal und es erscheint, als ob der Speicherpuffer erst durch dieses hindurch in Raum und Zeit gekommen sei.

Thema also ist das der Entropieproduktion. Mehrfach erscheinen Rohrteile und Raumelemente, die dabei sind, sich zu organisieren. Dadurch wird dem Betrachter die Idee einer nicht notwendigerweise linear verlaufenden Zeitlichkeit vermittelt – den permanenten Wandel sozusagen. So dass es dem Kunstwerk überhaupt keinen Abbruch tun würde, wenn in ungewisser Zukunft der Speicherpuffer einmal abgebaut sein wird. Das Kunstwerk wird ihn, wie durch ein Geschichtsportal immer in die zukünftigen Gegenwarte der Betrachter bringen – und wird ein dauerhaftes Mahnbild unseres Kampfes mit Entropieproduktion bleiben.

Wer weiß, was das Portal eines Tages entbergen wird und was an der BTU in Zukunft entwickelt werden wird?! – Das Portal der Entropieproduktion wird das wahrnehmend bezeugen.



Technische Angaben

Die Rückwand der Lobby des Neubaus für das Zentrum für Energietechnologie ist 13,5 Meter hoch und 13 Meter breit. Davor steht der Speicherpuffer, der mitsamt seiner Anschlüsse, 9 Meter auf 5 Meter der Wand einnimmt.

Das Mosaik bildet einen Rahmen um die technische Installation herum und ist auf Wedi-Bauplatten verlegt, die mit der Wand verankert wurden. So entsteht der Eindruck eines Tores oder Portals, das 12,5 Meter hoch und 12,5 Meter breit ist.

Die einzelnen Pixel des elektronischen Bildes werden später in der realisierten Wandarbeit durch Mosaiksteine im Format 1 x 1 cm repräsentiert.
Dadurch entsteht eine Auflösung von ca. 3 dpi und eine Pixelmenge von 1250 x 1200 Stück. Rechnet man die umschlossene Fläche ab, ergibt sich eine Gesamtmenge von ca. 930.000 Bildpunkten, die als Mosaik in einer chromatischen Streuung von ca. 25 Farbwerten ausgeführt wird.

Dadurch entsteht eine farbliche Abstraktion weg vom abgebildeten Gegenstand.
Das Mosaik wird dauerhaft auf der gesamten Höhe und Breite der Stirnwand der Lobby angebracht.

Es wurden Mosaiksteine der Firm Bisazza verwendet und mit einer Spezialfirma aus Norditalien realisiert. Das Mosaik wiegt ca. 8 – 9 kg/m2, bei einer Gesamtfläche von 95 m2 also insgesamt ca. 800 kg. Verarbeitet wurden die Mosaike mit Produkten der Fa. ARDEX (Grundierung und Kleber).
Statisch erfordert das Mosaik einen festen Putz von 1,6 Deutschen Normativen Newton.

Die Glasmosaiksteine sind dauerhaft, pflegeleicht und lichtecht und erfordern keinen zusätzlichen Betriebsaufwand über die gelegentliche Staubreinigung hinaus