Thomas Eller

THE fast building (Entwurf)

2007

Die Vision

Sie befinden sich im Zentrum des Berliner Westens. Am KaDeWe vorbei gehen Sie die Tauentzienstraße hinab in Richtung Gedächtniskirche. Während sich die Menschen an den Geschäften vorbeischieben und der Verkehr an Ihnen vorüberströmt, haben Sie plötzlich das Gefühl, dass die vertraute Szenerie ins Wanken gerät: Über dem Fluss des Verkehrs und dem Gedränge der Menschen scheint sich eine mächtigere Bewegung zu ereignen, die das gesamte Straßenbild erfasst und emporzuziehen scheint.

Ihr Blick folgt dem Sog der Bewegung und richtet sich auf das Hochhaus des Europa-Centers, das die Ku’damm-Gegend überragt. Sie trauen Ihren Augen nicht: Der gewaltige Architekturquader steht nicht still. Die Fassade des Hochhauses verschwimmt unter der Geschwindigkeit einer Aufwärtsbewegung, die sich von Stockwerk zu Stockwerk beschleunigt. Unhaltbar für den Blick, fließen Glas und Stein ineinander, während das Gebäude himmelwärts rast. In der Höhe erst ebbt die Bewegung ab und kommt mit dem letzten Stockwerk zum Einhalt.

Ein Schwindelgefühl ergreift Sie. Sind Sie einer Sinnestäuschung erlegen? Sie versuchen die Erscheinung dieses beschleunigten Gebäudes zu begreifen, aber je länger Sie hinschauen, um so mehr schwinden Ihre Gewissheiten über die Ordnung des Raumes, durch den Sie sich eben noch so vertrauensvoll bewegt haben. Wenn Sie sich schließlich von diesem irritierenden Anblick lösen, werden Sie die Stadt mit anderen Augen betrachten: in der Erwartung, dass sich die Bewegung, die das Leben der Stadt bestimmt, auf ihre Architektur überträgt.

Die Hintergründe

Gebäude gehören zum Mobiliar einer Stadt. So wie wir uns an den Anblick der Möbel in unserem Haus gewöhnen, so wenig nehmen wir die Architektur wahr, die uns täglich umgibt. Sie scheint unveränderlich um uns zu stehen, während wir uns an ihr vorbeibewegen. Dabei ist Architektur Bewegung als Form: Von gotischen Kathedralen und von modernen Wolkenkratzern wird oft gesagt, dass sie zum Himmel streben. Und Architektur ist Bewegung als Geschichte: Jedes Gebäude steht für die Zeit, in der es erbaut wurde, es verweist auf die Zeiten, deren Bauten es ersetzt hat. Vielleicht wurde es durch Kriege beschädigt oder konnte überhaupt erst aus den Freiräumen entstehen, die durch Kriegsverheerungen geschaffen wurden.
THE fast building macht auf diese Zusammenhänge aufmerksam, indem es die Architektur visuell in Bewegung setzt. Wir haben für Bewegungen eine instinktive Aufmerksamkeit: Wenn sich ein Gegenstand oder ein Lebewesen schnell bewegt, schauen wir sofort hin. Diese Reaktion wird auch durch THE fast building hervorgerufen.

Der Eindruck, dass die Fassade des Europa-Centers sich schnell bewegt, zieht den Blick des Vorbeigehenden auf das Gebäude und setzt sie der Irritation aus, dass die statische Architektur bildlich beschleunigt wird. Damit verweist die Inszenierung auf formale Aufwärtsbewegung, nach der die Architektur entworfen wurde, und sie verweist auf die bewegte Zeitgeschichte, die das Europa-Center präsentiert.
Das Gebäude

Das Europa-Center, 1963-65 gebaut, ist eines der markantesten Gebäude Westberlins und eines der Architektursymbole der Nachkriegsmoderne. Es steht für den wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit und für das ästhetische Verständnis der der 1960er Jahre. Aber es steht auch für seine Vorgeschichte: Es füllt eine Freifläche, die durch die Bombenangriffe während des Zweiten Weltkriegs entstand. Früher befand sich am Ort des Europa-Centers das Romanische Café, das während der Weimarer Republik Mittelpunkt des intellektuellen Lebens der Hauptstadt war. Hier trafen sich Literaten und Künstler wie Tucholsky, Brecht, Joseph Roth, Billy Wilder, Otto Dix, Gottfried Benn oder Fritz Lang, bis das Café zum Anschlagsziel für SA-Truppen wurde.

Diese historischen Tatsachen werden durch
THE fast building aktualisiert. Die beschleunigte Fassade ist eine optische Irritation, die bildkünstlerisch auf die Dynamik der Architektur aufmerksam macht, die von der Architektur selbst nicht geleistet werden kann.
Die künstlerische Neuerung von THE fast building liegt in der Verschmelzung des fotografischen Bildes mit dem architektonischen Raum. Der Künstler spricht hier von Archivision.

Die Umsetzung

Die Fassade des Europa-Centers wird 1:1 im Computer nachgebaut und visuell beschleunigt. Diese beschleunigte Fassade wird [mit semi-transparenten Planen] auf die originale Fassade aufgebracht. Die Bausubstanz des Gebäudes wird dabei unverändert gelassen, sein Charakter jedoch wird grundlegend verändert. Aus der statischen Form wird visuelle Bewegung, Tektonik wird sichtbares Ereignis.
Die technische Umsetzung muss noch geprüft werden. Verschiedene Lösungen bieten sich an. In einer ersten Projektstufe muss die Umsetzung anhand von 1:1 Detailstudien geprüft werden. Daraus entsteht die Kalkulation für das Gesamtbudget.

http://www.thefastbuilding.com/