Bettina Khano

A01-802 (Vorhang)

2018

"Der Vorhang markiert die Grenze zwischen dem Innen- und dem Außenraum. Aber der Vorhang schließt das Außen nicht aus, im Gegenteil. Durch das lichtdurchlässige, rotbraun gefärbte Material hindurch ist das Raster der Glasfassade zu erkennen, das den Ausstellungsraum mit der Außenwelt verbindet, dahinter der Innenhof und das gegenüberliegende Gebäude. Aufgrund der Färbung wirkt ihr Anblick ästhetisch verfremdet. Gerade dadurch aber wird die Welt hinter dem Vorhang zu einem Teil der Situation, in der wir uns befinden – des mit künstlerischen Mitteln hergestellten Erfahrungsraums, der uns umgibt und uns einlädt, uns darin zu verorten. Der Ausstellungsraum selbst gehört auch dazu, einbezogen durch das von außen eindringende, rotbraun gefilterte Tageslicht, das dem Saal eine warme, ruhige Atmosphäre verleiht. Bis auf ein paar einfach konstruierte, aus Sperrholz gefertigte Hocker erscheint der hohe Raum der Galerie leer. Scheinbar achtlos im Raum verteilt, bieten diese doch eine gewisse Orientierung, wie Aussichtspunkte, auf denen wir uns niederlassen können, um von dort aus unsere Umgebung in Augenschein zu nehmen. So auch der Vorhang: Die jeweils 20 cm breiten, senkrecht von der Decke hängenden Lamellen des Vorhangs sind dicht nebeneinander platziert, aber sie überlappen sich nicht. Das verwendete PVC ist zwar formecht, aber elastisch und so entstehen trotz der exakten Anbringung immer wieder kleine Schlitze, die das Licht von außen ungefiltert hereinlassen. Dies wiederum lädt nicht nur dazu ein, an den Vorhang heranzutreten und durch die Schlitze hindurchzuschauen, sondern weckt vielleicht sogar den Impuls, die Lamellen beiseite zu schieben und durch den Vorhang hindurch zu gehen. Aber ist es auch erlaubt? Schließlich befinden wir uns in einer Ausstellung. Wir geben dem Impuls nach, greifen zwischen die Lamellen und treten ins helle Tageslicht. " Auszug aus Bettina Khano • Übergänge,
Jörn Schafaff, ursprünglich veröffentlicht in Doppelpass II Bettina Khano und Andrea Wolfensberger ‚Tread softly because you tread on my dreams’ (William Butler Yeats), Ausst.-Kat., München: Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst, 2018, S. 14 - 21

PVC- Streifen, Edelstahlhakenleiste, Edelstahlklammern, Installation mit fünf Hockern aus Fichtenholz, ca. 740 x 920 cm, Galerie der DG, München