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Claudia Kugler

ckugler.de/doku

Design, Medienkunst



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Zu den Arbeiten von Claudia Kugler

Beschreibt man in kulturellen Zusammenhängen Bilder als eigenschaftslos, unspezifisch, unoriginell, ist das meistens negativ gemeint. Wenn aber computergenerierte Bilder ‚originell‘ sind, ist es noch schlimmer.

In den letzten 20 Jahren wurden fast alle Bilder, die gedruckt oder auf beliebigen Screens zu sehen waren, mit Programmen von ‚Adobe Systems Inc.’ erzeugt, entworfen oder bearbeitet.

Die Programmarchitektur der einzelnen Komponenten der so genannten ‚Creative Suite’ – inzwischen ‚Creative Cloud’ – ähnelt sich: Werkzeuge, Effekte, Filter, Pfad- und Ebenentechniken sind zum Teil identisch. ‚Photoshop’ (Bearbeitung von Fotografien, Pixel- bzw. Rastergrafik – „Bitmapping“), ¬‚Illustrator’ (Vektorgrafik und Typographie – „Raytracing“) und ‚Indesign’ (Integration dieser beiden Varianten, Layout) basieren aber auch bei der Informationsverarbeitung, im Programmkern, auf ähnlichen Grundmustern und Algorithmen. Inwieweit und auf welche Art die äußere und innere Struktur der Software Anmutung und Aussehen der mit ihr erzeugten bzw. bearbeiteten Bilder bestimmt, ist umstritten.

Was haben sich diejenigen gedacht, die diese Programme Anfang der Neunziger Jahre entwickelt haben? War ihre spätere Hegemonie bereits absehbar, als diese Architekturen entworfen wurden?

In ‚Photoshop’ werden in der Regel keine Bilder erzeugt, sondern lediglich bearbeitet (optimiert), ‚Illustrator’ wird zum Entwerfen von Grafiken und Logos und für einfache Zeichnungen genutzt. Um komplexere Bilder zu generieren wird meistens 3D-Software eingesetzt – zum Beispiel ‚Cinema 4D’ der hessischen Firma ‚Maxon’ oder Programme wie ‚Blender’ und ‚Sketchup’.

Werden computererzeugte oder -bearbeitete Bilder – d.h. einheitliche Datensätze, die internationalen Normen entsprechen – visualisiert, also auf Bildschirmen oder im Druck ausgegeben, erfolgt das ebenfalls in einem standardisierten technischen Prozess, in dem ungeplante Abweichungen – beispielsweise in Tonwerten oder bei der Bildschärfe – als Fehler definiert sind.

Die Erzeugung und Verbreitung von solchen Bildern, Videos oder Animationen ist vom Entwurf bis zur Ausgabe in ein enges technisches Korsett gefasst und dadurch in verschiedener Hinsicht stark determiniert.

Wie nutzen Künstler*innen heute diese Bildgebungsverfahren? Neben der wohl häufigsten Art der Anwendung, nämlich der von den Herstellerfirmen vorgesehenen, als mehr oder weniger professionell arbeitende User*innen, die Vorlagen für Malereien und Zeichnungen erzeugen, Einladungskarten entwerfen, Fotos bearbeiten und online PR betreiben, stehen zwei unterschiedliche Ansätze, wenn es um die verwendete Technologie selbst geht: Affirmation und Dekonstruktion. Letztere sehr oft in Form klassischer Medienkritik, erstere meist wenig reflektiert, indem analog zum Werbeslogan „Vorsprung durch Technik“, Effekte um der Effekte Willen eingesetzt werden, Rechnerleistung, Auflösung, Style und Finish eine große Rolle spielen und ähnliches mehr. Das ist zum Beispiel oft zu beobachten, wenn in der Unterhaltungsindustrie, aber auch der Kunst mit 3D-Software gearbeitet wird. Die Technologie wird genutzt, um zu zeigen, was mit ihr möglich ist, wie täuschend echt die Textur und wie real der computergenerierte Raum inzwischen aussehen können. Neben Langeweile hat das vor allem zur Folge, dass diese Produkte oft schon nach kurzer Zeit extrem „outdated“ wirken.
Aufklärerisch-kritische Beiträge wirken dagegen meistens didaktisch und belehrend, altern aber ebenso schnell – vor allem wenn ihnen ein relativ statisches Menschenbild zugrunde liegt, welches davon ausgeht, dass sich zwar die Technik verändert, nicht aber unser Umgang mit und Verständnis von ihr. Auch ihre „aufklärerischen“ Effekte scheinen sich in sehr engen Grenzen zu halten, betrachtet man die fortschreitende Kommerzialisierung digitaler Medien, die immense Beschleunigung des technischen Fortschritts und die zunehmende Dominanz der so erzeugten „Bildwelten“.

Die Ästhetiken dieser Verfahren sind gegensätzlich, im Kunstkontext funktionieren beide aufgrund ihrer Anknüpfung an bekannte Traditionslinien sehr gut. Affirmative Ansätze zielen auf die visuelle Überwältigung der Betrachter*innen z. B. durch Illusionismus bzw. Hyperrealismus, kritische erinnern oft an historische Konzeptkunst, Institutionskritik u.ä.

Claudia Kuglers Bilder erscheinen in diesem Zusammenhang vergleichsweise eigenschaftslos. Bei den meisten von ihnen kann man zwar leicht erkennen, dass sie mit Bildbearbeitungs-, Grafikdesign- oder 3D-Software erzeugt worden sind, es wird jedoch weder versucht die jeweils gegebenen technischen Mittel auszureizen, noch wird allzu explizit auf ihre „Gemachtheit“ hingewiesen oder direkte Kritik an irgendetwas artikuliert. Ihre Ursprünge und ihre Anmutung bleiben uneindeutig: Grafikdesign, dessen Zweck und Auftraggeber nicht (mehr) zu erkennen ist, 3D-Modelle mit Texturen, die skizzenhaft, teilweise fast wie Versuche wirken, keine Technik-Demonstrationen, eher „underwhelming“ als überwältigend. Die unspezifischen Spuren popkultureller oder kunstimmanenter Referenzen, die man manchmal zu erkennen glaubt, erheben ebenfalls keinen Anspruch auf Verbindlichkeit.

Arbeiten, die vor mehreren Jahren entstanden sind, sind immer noch ähnlich zeit- und ortlos wie die aktuellen, sie veralten nicht, werden auch nicht wesentlich vertrauter oder einfacher lesbar, eine Art unendlicher Retro-Science-Fiction. Sie scheinen immer schon zukünftig gewesen zu sein und erinnern gleichzeitig an Vergangenes – ein Motiv, das aus verschiedenen Spielarten zeitgenössischer, elektronischer Musik bekannt ist. In Ausstellungen wirken die jeweils unterschiedlich materialisierten Bilder aber nicht beliebig oder zufällig. Die Präzision bei der Realisierung und die Konsequenz mit der Kugler diesen Ansatz verfolgt, scheinen erst die nötige Spezifik und Wiedererkennbarkeit innerhalb des oben beschriebenen Feldes zu erzeugen.

Die Fremdheit vieler dieser Arbeiten legt darüber hinaus die Frage nahe, inwieweit der Kontext Kunst, die Einordnung der Urheberin als ‚Künstlerin‘ gegeben sein müssen, damit sie in dieser Qualität überhaupt erkannt werden (können). Eindeutig beantworten kann man das nicht, man kann sich ebenso gut vorstellen, dass das ‚gewohnte Auftauchen‘ von Bildern dieser Art – im öffentlichen Raum, als Werbung, in Druckerzeugnissen und auf Webseiten – dazu führt, dass dann eben genau ‚diese‘ Bilder fremd und irritierend wirken, wie, dass sie dadurch schließlich doch innerhalb des Bekannten verortet bleiben und damit überhaupt lesbar und interessant werden.

Ähnlich verhält es sich mit der – immer nur vermuteten, bei jeder Begegnung mit ihrer Kunst neu zu konstruierenden – ‚Subjektivität‘ der Künstlerin, die heute ohnehin eine problematische Kategorie zwischen Abschaffung und Wiederbelebung (u. a. durch identitätspolitische Deutungsmuster) ist, auf einer trivialeren Ebene bei der Rezeption, Vermittlung und Distribution zeitgenössischer Kunst aber nach wie vor zentraler Faktor, letztlich ‚unique-selling-proposition‘ (und an dieser Stelle über Social Media, Videoplattformen und besonders ‚Instagram’ auf eine weitere, ganz andere Art mit der Evolution digitaler Bilder eng verknüpft)1. Auch hier nimmt Kugler eine Position ‚irgendwo dazwischen‘ ein – als Künstlerin durchaus präsent und anerkannt, trotzdem kaum auf konkrete Eigenschaften, die weit über ihre Arbeit hinausreichen würden, festzulegen.

Geht man von einem Ansatz aus, der bei der Untersuchung und Bewertung von „Kunst“ Situation, Kontext und den Anteil der jeweiligen Rezipient*innen an der Gesamtkonstruktion mitdenkt, deutet sich an dieser Stelle in der Konvergenz der eingenommenen Positionen auf beiden Ebenen das Potential von Kuglers künstlerischer Praxis an.

Michael Franz

1) Die Techniken und Effekte dieses spezifischen Umgangs mit Digitalität wurden in den letzten Jahren an verschiedener Stelle ausführlich beschrieben, jedoch gerade in ihrem Unterschied zu anderen Zwecken digitaler Bilderzeugung und –manipulation m. E. bisher zu wenig untersucht. Auch die Wirkungen, die sie in einer Art „eigendynamischer“ Beschleunigung (Wirkung – Vernetzung – Nachahmung – technische Innovation) erzeugen sind nicht abzuschätzen.



Vita

2019
›Grafikdesign‹, Reisebürogalerie Nagel Draxler, Köln
›es geht um‹, Curated by Institut für Betrachtung, Galerie Raum mit Licht, Wien
›Insert‹, Hofskulptur von Andreas Koch, Haus am Lützowplatz, Berlin
›Entering, Permanent, Welt, Attrappe‹, Studiogalerie, Haus am Lützowplatz, Berlin

2018
›Bill‹, Galerie Sima, Nürnberg (E)
›grrrrr‹, Natalia Hug, Köln (E)
›Flux of Experience – Mies in Berlin‹, Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin

2017
›All the Right Moves‹, Kienzle Art Foundation, Berlin
›Bodikon‹, Belmacz, London

2016
›Katz & Maus‹, RSTR4, München (E)
›Amore‹, Galerie Sima, Nürnberg (E)
›Compromise‹, Simultanhalle, Köln (K)

2015
›Ja‹, Galerie Max Mayer, Düsseldorf (E)
›What would you pay for a rotten whale‹, Galerie Max Mayer, Düsseldorf


2010 1. Preis, Kunst am Bau, Justizzentrum Würzburg
2009 3. Preis, Kunst am Bau, Bundesnachrichtendienst, Berlin
2007 Arbeitsstipendium, Stiftung Kunstfonds
2005 Stipendium, Akademie Schloss Solitude, Stuttgart


1996 – 2002
Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, Meisterschülerin

1994 – 1997
Grafikbüro, Nürnberg

1993
Diplom Kommunikationsdesign, FH Nürnberg

1969
geboren in Auerbach/Opf.